Inschriften als Quellen der Kulturgeschichte des Ma. und der Frühen Nz. – Bonn, 17.09.25

 Schlosskirche
Inschriften sind zentrale historische Quellen. Sie sind überall zu finden: gut sichtbar an öffentlichen Gebäuden, Privathäusern, Stadtmauern, Brücken; weniger zugänglich in Innenräumen, auf liturgischen Gefäßen und Gewändern in Kirchen, auf Glocken und vielem mehr. Sie wurden auf den unterschiedlichsten Materialien angebracht: auf Stein, Metall, Holz, Ton, auch Textilien und Glas und etlichem anderen mehr. Ihre gestalterische Bandbreite reicht von hochformellen, kunstvollen Denkmälern bis hin zu rasch eingeritzten Graffiti. Ähnlich vielfältig sind auch die Funktionen der Texte, die häufig genug mit Bildern und Skulpturen verbunden werden: von elaborierten Inschriften des Totengedenkens über Erläuterungen zu Bildzeugnissen, bis hin zu einfachen Namensnennungen. Drei Entwicklungen rücken Inschriften in ihrem materiellen und medialen Reichtum neu ins Zentrum aktueller methodischer Debatten: die Diskussion über die Bedeutung der Grundwissenschaften; die neue digitale Zugänglichkeit von Inschriften in großer Zahl; und Forschungen zur Materialität und Medialität von Texten. Die Sektion wird getragen durch das interakademische Editionsunternehmen „Die Deutschen Inschriften bis 1650“, das aktuell mit dem Handbuch „Epigraphik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Eine Einführung“ eine neue und umfassende Bestandsaufnahme der internationalen Epigraphik vorlegt. Aus der langjährigen Editionspraxis und den Erfahrungen der Arbeit am Handbuch heraus, stellt die Sektion anhand von Fallbeispielen die Aussagekraft von Inschriften als historischen Quellen und die methodischen Herausforderungen ihrer Erschließung und Auswertung zur Diskussion und fragt – nicht zuletzt angesichts der raschen Entwicklung digitaler Methoden in den Grundwissenschaften – nach neuem Potential dieses faszinierenden Materials für aktuelle Fragestellungen des Fachs. Die Moderation übernimmt Andrea Stieldorf.

Für Lernende sowie andere Interessierte werden Leseübungen angeboten, die nach der Sektion (oder ggf. etwas später) in der Bonner Arbeitsstelle des Inschriftenprojektes (im Institut für Geschichtswissenschaft) mit den dortigen Mitarbeitenden vertieft werden können. Dort gibt es auch eine kleine Ausstellung.

Steffen Patzold (Tübingen) – Inschriften. Erschließung, Auswertung und Aussagekraft eines faszinierenden Quellentyps

Der erste Vortrag dient der Einführung in die Arbeit mit Inschriften: Er stellt das Editionsunternehmen „Die deutschen Inschriften bis 1650“ und die Plattform „Deutsche Inschriften online“ (https://www.inschriften.net) vor. Ziel ist es, angesichts jüngerer Forschungen zum Zusammenhang von Text und Bild sowie zur Medialität und Materialität von Texten den historischen Quellenwert von Inschriften herauszuarbeiten, zentrale methodische Herausforderungen bei der editorischen Erschließung zu diskutieren und das Potential digitaler Methoden für die Epigraphik anschaulich zu machen.

Teresa Schröder-Stapper (Düsseldorf) – Wasser, Feuer, Luft. Inschriften als Medien urbaner Gefahrenkommunikation in der Frühen Neuzeit

In urbanen Inschriften wird nicht nur an eingetretene Umweltkatastrophen wie Hochwasser oder Feuersbrünste erinnert, es werden Szenarien künftiger Ereignisse entworfen. Beides dient der Konstruktion einer existentiellen Bedrohung, die damit zum Sicherheitsthema gemacht oder ‚versicherheitlicht‘ (Kopenhagen School) wird. Hat sich diese Deutung durchgesetzt, werden Gegenmaßnahmen artikuliert und deren Umsetzung eingefordert. Vor diesem Hintergrund wird untersucht, welche Rolle Inschriften in einem solchen Prozess der ‚Versicherheitlichung‘ spielen konnten. Zudem ist zu fragen, inwiefern Inschriftenarrangements selbst als Sicherheitspraktik fungieren konnten.

Romedio Schmitz-Esser (Heidelberg) – Absentes sichtbar machen. Inschriften als Vergegenwärtigungsstrategien im ausgehenden Mittelalter

Die spätmittelalterliche Gesellschaft beschäftigte sich obsessiv mit der Präsenthaltung von Absentem, insbesondere auf politischer, religiöser und frömmigkeitsgeschichtlicher Ebene. Der Herrscher, dessen Gegenwart im Ritual sinnfällig genutzt wurde, war an den meisten Orten zu den meisten Zeiten nicht vorhanden, Inschriften schlossen diese Lücke prominent und sichtbar. Christus war in den Himmel aufgefahren, seine physische Gegenwart konnte durch Inschriften, die auf die Gestalt des Heiligen Grabes in Jerusalem eingingen, hergestellt werden. Die Toten wurden der Gesellschaft gegenwärtig gehalten, indem ihre Memoria sich in Inschriften erhielt. Die entscheidende Dimension in allen diesen Fällen eröffnet sich dabei bei der konsequenten Frage nach den Auftraggebern und dem Publikum dieser Inschriften, die den spezifischen Nutzungshorizont zu erkennen geben. Der Vortrag rekonstruiert die Kulturgeschichte der Inschriften als Teil der Vergegenwärtigungsstrategien des Absenten und eröffnet die Diskussion um Spezifika des Mittelalters aus ungewohnter Perspektive.

(Quelle: Programm des Deutschen Historikertages)

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